Sie verlässt das Haus und wird geblendet. Der Himmel ist endlich wieder blau, man könnte glauben, dass die Sonne sich einen Weg durch ihre Augen direkt in ihr Lächeln bahnt. Wärme auf der Haut, nach langem Wintergrau endlich wieder. Vogelzwitschern, die ersten Geräusche einer erwachenden Welt. Bald die ersten Knospen, bald ein neues Grün an den kahlen Ästen. Kurz schließt sie die Augen, lässt die Sonne ihr Gesicht streicheln. Dann steigt sie ins Auto, fährt Richtung Arbeit. Vorbeiziehende Felder, gepflügte Erde, Autodächer, alles wird in warmes Licht getaucht. Fast orange, als habe die Welt einen Filter aufgesetzt. Mit der ersten Sonne zerfallen die trüben Tage der Winterzeit in ferne Bedeutungslosigkeit. Sie lächelt, fährt der Sonne entgegen, die Musik laut aufgedreht. Die Landstraße beständig vor ihr, der altbekannte Weg heute neu und aufregend. Man glaubt es nie, solange Winter ist, dass er jemals wieder vorbeigehen könnte, so trüb sind die Tage und Gedanken im Winter. Wenn die Tiere schlafen dürfen, wieso dann die Menschen nicht? Sie lächelt, es ist jetzt eh egal, bald ist der Winter vorbei. Es kann weitergehen, das Leben. Heute Abend wird sie mit diesem Mann essen gehen, vielleicht wird es der Beginn von etwas Großem. Vielleicht ist dieses Jahr ein Jahr voller neuer Potenziale und erfüllter Träume. Sie dreht die Musik ein wenig weiter auf, singt beschwingt mit, als müsse die neu gefundene Energie einen sofortigen Weg nach draußen finden. Vielleicht wird sie dieses Jahr endlich alles aufholen, was sie in den letzten Jahren verpasst hat, wird endlich die Version von sich sein, die sie sein möchte. Es wird warm werden und dann kann man wieder draußen sitzen, Blumen pflanzen, Feiern gehen, ins kalte Wasser springen, lange Nächte mit belanglosen Gesprächen füllen. Ihr Lächeln wird breiter. Ja, es wird gut werden.
Sie fährt die Kurve nur ein wenig zu schnell. Der Wagen holpert, stolpert, ein Ruckeln, ganz plötzlich. Sie erschrickt, reißt die Augen weit auf. Zieht intuitiv den Lenker gegen den Widerstand, gerät wieder in die Spur. Dann ein Blick in den Rückspiegel. Rotbraun zuckend liegt er auf dem Asphalt, wird von Sekunde zu Sekunde kleiner. Sie wendet den Blick ab, zitternd. Mit Tränen in den Augen dreht sie die Musik wieder leiser. Hinter der nächsten Kurve ist das Bild verschwunden.
Der Fuchs liegt auf der Straße, schmerzverzerrt, vom Reifen gebrochen. Er zuckt, Blut breitet sich langsam auf der Straße aus, der buschige Schwanz zusammengerollt. Lange liegt er so da, röchelnd. Dann irgendwann ein neues Auto, ein neuer Reifen, ein Knacken und es ist vorbei. Es folgen Auto um Auto, Reifen um Reifen. Nicht alle weichen aus.
Als die Sonne untergeht, trifft sie sich mit diesem Mann, es wird ein ausgelassener Abend. Er ist humorvoll, charmant und sie ist glücklich.
Auf der Landstraße ist nichts übriggeblieben außer getrocknetem Blut, Fellfetzen, zerfahrenem Fleisch und zersplitterten Knochen. Bald ist es Frühling.
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