Es ist seltsam, kein Ziel zu haben und sich trotzdem auf einen bestimmten Punkt im Leben hinzubewegen. Einen Fuß vor den anderen setzen. Nur nicht stehen bleiben. Die Sonne fällt durch die schmalen Gassen zwischen den Häusern. Je weiter ich mich von dir entferne, desto heller wird es. Mein Atem schlägt kleine Wölkchen in die Luft, nur um gleich darauf in sich selbst zusammenzufallen. Die Gerippe der Bäume schauen mich zweifelnd an. Ich bewege mich Richtung Fluss. Von der Brücke sehen, noch einmal die Strömungen bewundern.
An einer Kirchenwand gelehnt sitzen zwei Obdachlose unter einem ausgebreiteten Schlafsack und teilen sich eine Zigarette. Vor sich ausgebreitet drei Becher mit verschiedenen Aufschriften: “für Essen”, “für Drogen” und “ für ein reines Gewissen”. Das Lachen bleibt mir in der Kehle stecken, ich lege ein paar Münzen in den letzten Becher, damit er nicht leerausgeht. Die beiden nicken mir zu, ich nicke auch, gehe weiter. Meine Hände suchen in meinen Jackentaschen nach Zigaretten, gehen leer aus. Schade.
Menschen kommen mir entgegen, überholen mich, sitzen auf den Parkbänken und unterhalten sich. Eine Stadt, die nie schläft, ist immer müde. Niemand lächelt.
Ein Radfahrer fährt mich fast um, ich schaue ihm hinterher. Statt eines Fahrradkorbs zwei Kästen Bier vorne befestigt, den oberen nur halb geleert. Ich schaue auf die Uhr. Meine Füße bewegen sich weiter, ein Dämmerzustand. Ich sehe ihnen zu. Total verschlammt, die Schuhe, ich müsste sie nochmal putzen. Egal. Immer dem Weg folgen. Nicht stehen bleiben.
Ein süßlicher Geruch steigt mir in die Nase. Wer raucht hier?
Mein Blick betrachtet die Umgebung. Straßenlampen, Bäume, Autos, eine ältere Frau mit Hund, rote Ampeln, ein Kind, der Kiosk an der Ecke, Eltern, ein Skateboardfahrer. Die Ursache des süßlichen Geruchs in der linken Hand. Keine Rücksicht auf Verluste. Ich beobachte ihn, seine langsamen Bewegungen, die Blicke, die ihm die anderen zuwerfen. Empörte Blicke, beneidende Blicke. Aus seinen Kopfhörern findet Musik einen Weg in die Wirklichkeit, seine Bewegungen gleichen sich den dumpfen Liederfetzen an. Er fährt so langsam, dass er jetzt fast vom Board fällt, zieht dann an seinem Joint und beschleunigt wieder. Der süße Duft wird wieder stärker. Menschen drehen sich zu ihm um, er bemerkt es kaum. Ein schmales Lächeln auf seinem Gesicht. Ein schmales Lächeln auf meinem Gesicht.
Ich stehe schon mitten auf der Brücke. Werde langsamer. Ich bin längst da. Bleibe dann stehen, lasse den Skateboardfahrer ziehen. Schaue in das sich wandelnde Nass unter mir, betrachte die Spiegelungen der Strömung, die entstehenden Farbspiele. Am Ufer unter mir sonnen sich ein paar Enten, ihre Flügel weit ausbereitet, den Kopf nach hinten geworfen. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich schließe die Augen.
Es ist seltsam, kein Ziel zu haben und sich trotzdem auf einen bestimmten Punkt im Leben hinzubewegen. Ich weiß nicht, wo ich hingehöre. Bin trotzdem angekommen.
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