Um 7:34 Uhr schaust du auf dein Handy, denn die Uhrzeit ist das Einzige, das dir in diesem Moment noch Orientierung bieten kann. Es hat sich etwas Dreckiges in dir eingeschlichen, oder? Ein ungebetener Gast ist dir in die Haut gekrochen. Es hat gestürmt letzte Nacht, jetzt herrscht Verwüstung. Man sieht es nicht, kann es nicht hören. Trotzdem hat es sich um dein Herz geschlossen und drückt fest zu. Es kribbelt in dir, sitzt in deinem Magen, hat sich einfach eingenistet, kratzt deine Innenwände rau.
Du gehst, willst nach Hause. Unsichere Schritte auf dem Bürgersteig, die Straßen entlang, durch die Menschen hindurch. Von allen Seiten spürst du diese Blicke, dein Fingernagel presst sich tief in die Haut, tiefer noch, bis du den Schmerz endlich spüren kannst. Du ziehst den Pullover über deine Hände. Verschwinden geht nicht. Fremde Blicke, du dazwischen und dieses Kratzen in dir, der Dreck, den alle sehen und doch gar nichts erkennen, viel zu schnell sind sie vorbeigegangen. Es hat sich so eingeschlichen, oder? Gewollt hast du es nicht, dann doch, schätze ich, musstest es wollen, vor Angst ganz benommen. Er neben dir, auf dir, hinter dir, dann wieder weg. Nicht ganz weg. Es kroch in dich hinein. Du betrachtest deine Schuhe. Versteck dich, betäub dich, wünsch dich weg. Wünsch dich unsichtbar, verschwinde in der Menge. Vergiss es einfach.
Durch die Stadt laufen, immer weiterlaufen, bekannte Gesichter treffen. Lieber nicht allein sein. Du unterhältst dich, schaust auf dich herab, wie in Trance. Du kannst dich nicht erklären, willst in deinem Pullover versinken. Hustest, weil es schmerzt, dieses Kratzen. Aber du musst weiteratmen, wenn auch unregelmäßig und viel zu schnell. Gespräche, Stimmen, Unterhaltungen, alles gedämpft. Du wendest dich von ihnen, dir kommen die Tränen, kurz nur, dann erinnerst du dich an das Vergessen, willst doch nach Hause. Ein letztes Wort, dann gehst du weiter, rennst fast. Lauf, bevor die Blicke dich einholen.
Aber irgendwann hast du es dann doch nach Hause geschafft. Das Kratzen ist stärker geworden, den Dreck willst du dir von der Haut schaben. Dieses Gefühl bleibt, wird dein Begleiter, egal, wie oft du duschen gehst. Du unter der Sonne, den Menschen, dem Trinken, dem Glück. Versteck dich. Etwas hat sich verschoben, du bist aus dir herausgefallen, aber du bist noch da, liegst noch hier, irgendwo. Schaffst es nicht mehr. Es bricht hervor, es stößt aus dir heraus, minutenlang, stundenlang, du windest dich, liegst da mit dem Wissen, dass es noch da ist. Tief in dir. Es wartet auf dich, streichelt dein Herz, du spürst es kaum und fährst zusammen. Gedankenfluten, du dazwischen, die Welt ganz dumpf und schal. Erinnerungen verschwinden nicht einfach. Sie werden ein Teil von dir. Am Ende bleiben Angst, Bitterkeit und Schmerzen.
Du wünschst dir, was war zu vergessen, und spürst noch jede Berührung. Du wünschst dir, mit jemandem zu reden, ohne die Kraft zu haben, es auszusprechen. Und manchmal, da wünschst du dir sogar zu sterben. Und trotzdem weißt du, dass du es irgendwie schaffen wirst, weiterzumachen.
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